Kolumne von Lars Penning 23. 3. 2023
„Berlinized“ dokumentiert das Verschwinden kreativer Freiräume. Robert Siodmaks „The Spiral Staircase“ setzt in „low key“-Licht Horrorräume in Szene.
Wer die 90er-Jahre in Berlin selbst miterlebt hat, wird erinnern, wie sich nach der Maueröffnung einige Jahre lang ein doch erstaunlicher Freiraum für kreative Menschen eröffnete. Das Leben war noch vergleichsweise preiswert, der ökonomische Druck gering, und ein großes Platzangebot gab es auch – für Kunstgalerien, Konzerthallen und Clubs.
Die Szene brummte, ehe das große Geld alldem schließlich mit Luxussanierungen und langweiligen Bürokomplexen ein Ende machte und die Rechtsanwälte die Clubs, neben die sie ja ganz freiwillig gezogen waren, mit Klagen wegen Lärmbelästigung zum Schließen zwangen.
Der Regisseur Lucian Busse hat diese ungute, aber vorhersehbare Entwicklung in seinem Film „Berlinized“ (2012) dokumentiert und ist am 28. März im Lichtblick Kino zu Gast, um mit dem Publikum darüber zu diskutieren (28. 3., 20.15 Uhr, Lichtblick Kino, Kastanienallee 77).
Ähnlich wie sein noch berühmterer Kollege Fritz Lang hatte auch der deutsch-jüdische Regisseur Robert Siodmak erzwungenermaßen mehrere Karrieren in verschiedenen Ländern: vor 1933 in Deutschland bei der UFA, nach der Emigration in Frankreich und in Hollywood und schließlich in der Bundesrepublik der 50er- und 60er-Jahre.
Und wie Lang war auch Siodmak ein Regisseur, der in seinen Inszenierungen die totale Kontrolle liebte, die ihm die überschaubare Studiowelt bot. Da verwundert es nicht, dass sich der Regisseur in Hollywood zu einem der großen Meister des artifiziellen Film-Noir-Stils entwickelte.
Aus Anlass von Siodmaks 50. Todestag zeigt die Deutsche Kinemathek in ihrer losen Reihe „Erkundungen im Filmarchiv“ den „Old-Dark-House“-Thriller „The Spiral Staircase“ (1945), in dem ein psychopathischer Mörder stets Frauen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen umbringt, was auch das stumme Dienstmädchen Helen (Dorothy McGuire) in große Gefahr bringt.
Inszenatorisch und fotografisch ist der Film dem Noir-Stil stark verhaftet: Siodmak und sein Kameramann Nick Musuraca setzen verwinkelte Korridore, alptraumhafte Zimmerfluchten und die titelgebende Treppe, die in den finsteren Keller führt, effektiv mit dem sogenannten „low key“-Licht in Szene, das besonders tiefe schwarze Schatten wirft. Diana Kluge wird eine Einführung zum Film halten (27. 3., 19 Uhr, Arsenal Kino).
Der beste aller Monumentalfilme ist und bleibt David Leans „Lawrence of Arabia“, und wenn man die Möglichkeit hat, ihn auf der großen Leinwand zu sehen, sollte man diese auch ergreifen. Dem vom damals noch fast völlig unbekannten Peter O’Toole gestalteten Charakterporträt eines ebenso schillernden wie seltsamen Offiziers aus Oxford, der während des Ersten Weltkriegs die arabischen Stämme zum Aufstand gegen das Osmanische Reich bewegte, geben Regisseur David Lean und Kameramann F.A. Young einen spektakulären Rahmen.
In Technicolor und Super-Panavision-70 entfalten sich hier grandiose Panoramen der gnadenlosen Wüste mit feurigen Sonnenbällen, Sandstürmen und einem wie ein Strich hinziehenden Horizont. Zwei Jahre dauerten die Dreharbeiten insgesamt, zehn Monate davon verbrachte man allein bei Außenaufnahmen in Jordanien.
Einmal scheint ein Schiff mitten durch die Wüste zu fahren, da ist Lawrence gerade am Suezkanal angekommen. Ebenso eindrucksvoll gestaltet sich die Ankunft von Sherif Ali Ibn El Kharish (Omar Sharif) bei dessen erstem Zusammentreffen mit Lawrence: eine Fata Morgana, aus der sich urplötzlich der reale Mensch materialisiert (26. 3., 20 Uhr, Babylon Mitte).